Der Tu-was-Gutes-Trick — brand eins

Das Problem: Manchmal lohnt es sich für Gläubiger nicht, Schulden einzutreiben.

Die Lösung: Eine Münchener Rechtsanwaltskanzlei macht aus diesen Forderungen Spenden - und aus hartherzigen Schuldnern großherzige Menschen.

- Die Idee kommt dem Münchener Anwalt Thomas Keller bei einem Gespräch mit einem Betriebsratsvorsitzenden. Der erzählt dem Experten für Arbeitsrecht, dass viele Angestellte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Forderungen – etwa ausstehende Lohnzahlungen – gegenüber ihren Ex-Arbeitgebern nicht geltend machten. Denn wer als Gläubiger versucht, solche Außenstände auf gerichtlichem Wege einzuklagen, bleibt unter Umständen auf den hohen Anwaltskosten sitzen, wenn er den Prozess verliert.

Was aber wäre, überlegt Keller, wenn man diese Summen einem guten Zweck zuführte?

Spontan testet er seinen Einfall. Die Personalleiterin einer großen britischen Firma weigert sich, seine vollen Anwaltskosten zu übernehmen, obwohl sie ihm dies zugesagt hatte. Keller macht ihr einen Vorschlag zur Güte. Er verzichte auf seine Gebühr wenn das Unternehmen zumindest die Hälfte der geforderten Summe einem gemeinnützigen Verein spende. »Es gab nur zwei Varianten: Sie zahlt gar nichts, oder sie lässt sich überreden«, erinnert sich Keller. Und siehe da, in weniger als zwei Minuten waren 2000 Euro Spenden quittiert.

Euphorisiert überredet der Rechtsanwalt seine beiden Partner aus der Kanzlei, Joachim Menz und Sanjay Bakshi, bei dem Projekt mitzumachen. Gemeinsam gründen sie die Initiative »Aus Forderungen werden Spenden«. Das ist im Herbst 2009. Neun Monate später verbuchen sie bereits zu ihrem eigenen Erstaunen 10 000 Euro auf dem Spendenkonto, und der 43-jährige Keller seit jeher mit einer sozialen Ader gesegnet und unter anderem beim Roten Kreuz tätig – hat ein weiteres Ehrenamt. Das beschäftigt ihn bald täglich.

Denn es gelingt dem eloquenten Keller, Nichtjuristen seine Idee näherzubringen. Sie funktioniert so: Ein Gläubiger hat Außenstände, kann diese Forderung aber nicht eintreiben oder scheut die damit verbundenen Risiken. Deshalb tritt er sie als Spende an die Anwaltskanzlei ab.

Sein Vorteil: Er kann diese Spende von der Steuer absetzen. Und er hat ebenso wie der Schuldner – falls der sich denn auf den Deal einlässt – das schöne Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Die Anwaltskanzlei ist nun der neue Gläubiger und setzt alles daran, die geforderte Summe einem guten Zweck zuzuführen. Dazu sei meist kein großer Aufwand nötig, berichtet Keller. Oftmals reiche schon ein Anruf, um den Schuldner zum Zahlen zu überreden.

Die Anwälte treiben die Forderungssumme für ihren Mandanten kostenfrei ein und überweisen diese einer gemeinnützigen Organisation, auf die sie sich zuvor mit ihrem Mandanten geeinigt haben. Steht der Empfänger fest, stellt die Kanzlei dem Mandanten die Spendenquittung aus.

Die Anwälte arbeiten gratis - das ist ihr Beitrag zur guten Sache. »Das machen wir möglich aus privatem Spaßgeld«, sagt Keller. »Das sind mal ein paar Hundert Euro, mal 2000 Euro, die Risiken sind überschaubar.« Auch deswegen, weil man häufig nicht den üblichen juristischen Weg gehe. Statt Briefen auf Anwaltsdeutsch ein freundliches Gespräch mit der Bitte, den noch offenen und häufig auch bereits angemahnten Betrag einem unbeteiligten Dritten mit tadellosem Ruf zukommen zu lassen. »Wenn ich sage: Zahlen Sie an mich, Sie schulden mir etwas, dann tun sich die Leute sehr viel schwerer, als wenn ich sage: Zahlen Sie das Geld für einen guten Zweck – ich habe davon keinen Cent«, erzählt Keller.

Bisher hat die Initiative rund 35 Forderungen erhalten. Keller, seine Partner und Kollegen treiben das Projekt voran und sind ständig auf der Suche nach unterstützenswerten Hilfsorganisationen. Jüngst brachten sie beispielsweise einen Schuldner dazu, über eine internationale Kinderhilfsorganisation zwei Wasserbüffel für rund 1500 Euro für ein Dorf auf den Philippinen zu finanzieren. »Dank der Tiere können jeweils elf Familien ernährt werden, weil sie mit ihnen Landwirtschaft betreiben können«, freut sich der dreifache Familienvater Keller.

Eine, die ebenfalls in den Genuss solcher Zuwendungen kam, ist Elena Janker, Leiterin von Little Art. Der Münchener Verein hilft Kindern aus schwierigen Verhältnissen, sich durch Kunst auszudrücken, ihre Lebensgeschichten darzustellen. Dank »Aus Forderungen werden Spenden« konnte sie Pinsel, Ölkreide, Wachsstifte und Leinwände kaufen. Die Kunsttherapeutin zeigt sich begeistert über den unerwarteten Geldsegen und lobt Keller über den grünen Klee: »Er ist mit Herz und Seele dabei.« Seine Inititative wirkt offenbar nachhaltig auf manchen ehemaligen Schuldner. Einer, berichtet Janker, wolle ihr Projekt über seine Spende hinaus unterstützen. -

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