»Auf der Suche nach Investoren« — FOCUS-SPEZIAL

Ein Start-up durchläuft vier Phasen: Gründung, Aufbau, Expansion und schließlich die Spätphase. Je nach Entwicklungsstand sind die Kapitalbedürfnisse und die Art der Investoren verschieden. Das sind die besten Quellen für Ihren Finanzierungsbedarf

Jährlich wagen 300 000 Menschen in Deutschland den Schritt in die Selbstständigkeit. 2014 waren es insgesamt rund 1,3 Millionen Selbstständige – im Vergleich zu früheren Zeiten eine beachtliche Zahl. »Wir haben derzeit eine Gründerkultur, die größer ist als Ende der 90er. Das ist großartig«, sagt Rolf Christof Dienst, Gründer des Private-Equity-Investors Wellington Partners und Pionier der deutschen Venture-Capital- Szene.

Ob gleich zu Beginn bei der Gründung der Firma oder erst dann, wenn sie bereits kräftig wächst – Unternehmen brauchen Kapital zum Leben. Einfach ist es, wenn die Gründer dieses zunächst aus eigener Tasche beisteuern können. Komplizierter wird es, wenn sie sich das Geld von externen Kapitalgebern beschaffen müssen.

Gründer müssen sich grundsätzlich überlegen, ob sie externe Geldgeber an ihrem Unternehmen beteiligen oder lieber einen Kredit aufnehmen wollen. Wenn sie sich dafür entscheiden, Investoren zu beteiligen, stehen ihnen diese finanziellen Mittel grundsätzlich langfristig bzw. unbefristet zur Verfügung.

Aus Sicht der Investoren besteht in diesem Fall ein deutlich höheres Risiko: Ihr eingebrachtes Kapital kann im schlimmsten Fall vollständig verloren gehen, weil die Firma sich nicht so entwickelt wie erhofft. Dafür erwarten Eigenkapitalgeber eine höhere Rendite, beispielsweise in Form von erfolgsabhängigen Dividenden. Zudem können sie ihre Anteile an andere Private- Equity-Investoren verkaufen, bestenfalls zu einem höheren Preis, als sie zu Beginn für ihre Anteile gezahlt haben.

Gewisse Geldquellen sind vor allem für die Aufbauphase eines Unternehmens sinnvoll, andere wiederum sind eher geeignet, um beispielsweise die Expansion ins Ausland zu finanzieren. FOCUS-Spezial nennt die wichtigsten Geldquellen sowie die idealen Zeitpunkte, um diese Quellen anzuzapfen.

GRÜNDUNGSPHASE

Dieser erste Lebenszyklus eines Unternehmens ist für Gründer wie Investoren die riskanteste Phase, da noch unsicher ist, ob die Geschäftsidee fruchtet. In dieser Phase – oft auch als Early- Stage-Financing bezeichnet – suchen Gründer nach einer Organisationsstruktur, entwickeln ihren Prototypen oder das Unternehmenskonzept samt Finanzierungsmöglichkeiten weiter.

Sogenannte Venture-Capital- Investoren (siehe Box) bieten in dieser Seed-Phase attraktive Finanzierungsmöglichkeiten. Das Seed Capital oder auch Venture Capital (VC) wird als eine Art Finanzspritze verwendet. VC ge - hört zum Teilbereich des Private- Equity-Geschäfts (PE), das außerbörsliches Eigenkapital darstellt und meistens »frühestens dann greift, wenn das Unternehmen etabliert werden kann. Wichtig ist, dass alle – sowohl Investoren als auch Jungunternehmer – in die gleiche Richtung laufen und an den gleichen Fäden ziehen«, sagt Steve Roberts, Leiter des Bereichs Private Equity bei PwC Deutschland.

Die zu fördernden Start-ups werden mit Bedacht ausgewählt. Die Förderung ist zeitlich begrenzt und wird vertraglich festgehalten, meist beträgt sie zwischen vier und sieben Jahren. Das Start-up wird von den VCExperten geprüft und sein Wert geschätzt. So wird ermittelt, welchen Anteil der Kapitalgeber im Gegenzug für die Bereitstellung seines Kapitals erhält.
Die Mindestinvestition liegt meist bei 50 000 Euro. Je nach Branche und Unternehmen startet die Mindestbeteiligung mancher VC-Fonds erst bei 100 000 bis 250 000 Euro. Der High-Tech- Gründerfonds beispielsweise steigt mit einer Investition ab 500 000 Euro ein.


»Crowdfunding ist eine gute Sache, weil schnell mit kleinen Beträgen Geld gesammelt werden kann«

In ein Start-up wird nur investiert, wenn die vorher gemeinsam erarbeiteten Ziele erreicht werden. Wichtig ist zudem das Zusammenspiel der Gründer: »Ein schlechtes Team macht eine gute Idee kaputt, und ein gutes Team kann aus einer schlechten Idee noch eine gute Firma machen.« So bringt es VC-Pionier Rolf Christof Dienst auf den Punkt (s. Interview Seite 74). Forschungsintensive Technologien können große finanzielle Mittel beanspruchen, weshalb zur Deckung des Kapitalbedarfs auch »Subventionen der öffentlichen Hand in Frage kommen, also öffentliche Fördermittel, teilweise als vergünstigte Kredite oder als verlorene Zuschüsse«, sagt Thomas Kieper, Leiter der Start-up-Initiative Next Level bei PwC am Standort Berlin.

Neben dem Seed Capital gibt es das Crowdfunding, bei welchem mehrere private Unterstützer ein Projekt unabhängig von den erwarteten Projektkosten finanzieren. Die Mindestinvestitionssumme beim Crowdfunding in Deutschland liegt derzeit zwischen fünf und 1000 Euro, häufig verbunden mit einer maximalen Investitionshöhe pro Projekt. Für PwC-Experte Kieper ein sehr nützliches Instrument: »Das Geld, das Einzelne zur Verfügung stellen, wird deutlich gezielter eingesetzt. Aus meiner Sicht ist Crowdfunding eine gute Sache, weil relativ schnell mit kleinen Beträgen auch Geld gesammelt werden kann, obwohl die Geschäftsidee vielleicht noch nicht ganz ausgereift ist; die Gründer aber kommen so doch schon an Geld. Wichtig ist, dass den Geldgebern auch klar ist, dass sie hier ein Risiko eingehen.«

TIPP Die Seed-Finanzierung tritt oft an die Stelle des Bankkredits, da Banken jungen Startups meist noch keinen Kredit gewähren. Denn diese bringen meistens nicht das von Banken geforderte Mindestmaß an Eigenkapital mit. Gründer sollten sich schlau machen, welche VC-Gesellschaft für ihre Branche in Frage kommt. VC-Investoren sind in der Regel auf wenige Branchen spezialisiert, nicht zuletzt um dank ihres Expertenwissens das eigene Investitionsrisiko möglichst gering zu halten. Von diesem Know-how profitieren auch die Gründer, wenn es ihnen gelingt, diese Investoren an Bord zu holen. Beim sogenannten Lending-based Crowdfunding erhalten Investoren und Unterstützer eine feste monatliche Zins- und Tilgungsrate zurück. Die Laufzeit der Tilgung wird vorher festgelegt, man spricht hier von „Annuität“. Marktführer für solche Projekte ist in Deutschland Auxmoney. Weitere Anbieter sind Smava und Lendico (mehr zum Crowdfunding auf Seite 56).

AUFBAUPHASE

Ist ein Produkt marktreif und erzielt die Firma erste Umsätze, ist die offizielle Geschäftsgründung erfolgreich verlaufen. Doch nach wie vor sind Start-ups für Investoren extrem riskant. Die Gründer müssen das Unternehmen auf dem Markt festigen und dessen Akzeptanz stärken, indem sie zum Beispiel die Produktpalette breiter positionieren. Der Mitarbeiterstamm wird auf- und ausgebaut, und das Marketing muss finanziert werden. Dazu wird weiteres Kapital benötigt. Die Unterstützung bei strategischen Fragen wird entscheidender.

In dieser Aufbauphase, auch First Stage genannt, ist aktive Unterstützung der Investoren wichtig. Es fließen betriebswirtschaftliches und Branchen- Know-how der PE-Investoren und viel Geld, um neue Märkte zu erschließen. »Private Equity ist global, denn es gibt wenige Unternehmen, die nur in einem Land tätig sind, und so bringen PE-Investoren auch eine gewisse Expertise mit, wenn es zum Beispiel um Fragen zur Expansion oder um Produktdiversifizierung geht«, sagt Private-Equity-Spezialist Steve Roberts von PwC Deutschland.

Außer bei PE-Investoren sollten Gründer in dieser Phase auch bei sogenannten Business Angels (BA) anklopfen, wenn sie Kapital suchen. BA haben meist selbst erfolgreich ein oder mehrere Firmen gegründet und ebenso erfolgreich verkauft. Viele von ihnen suchen neben Gewinn bringenden Investitionsmöglichkeiten für ihr Vermögen auch den Austausch mit Gründern. Diese wiederum können nicht nur vom benötigten Kapital profitieren, sondern dürfen auf ein meist renommiertes Netzwerk, auf Expertenwissen und Marktkenntnisse zurückgreifen. BA starten meist mit einigen tausend Euro und steuern bei Bedarf weiteres Kapital bei.

Es gibt zudem sogenanntes Mezzanine-Kapital. Das sind »Mischfinanzierungen, die eigenkapitalähnlich zum Beispiel in Form von Genussrechten oder stillen Beteiligungen ausgestaltet werden können. Im Insolvenzfall entsteht ein Rückzahlungsanspruch aber erst, wenn alle anderen Gläubiger bedient wurden. Wenn es gut läuft, ist die Vergütung für das eingesetzte Kapital dann auch höher als beim klassischen Fremdkapital«, sagt PwC-Experte Kieper.

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EXPANSION

Nach und nach steigt der Umsatz, das Leistungsangebot wird angepasst und weiterentwickelt. Die Gewinnschwelle ist erreicht, nun können Unternehmer expandieren. Die Risiken sinken, da sie besser abschätzbar sind. In dieser Phase nimmt die Bedeutung des Fremdkapitals zu.
Nach wie vor können Business Angels oder PE-Investoren in diesem Zyklus weiteren Kapitalbedarf decken, indem sie erneut Kapital in die Firma einschießen. Zudem können Gründer nun in größerem Umfang Fremdkapital typischerweise in Form von Bankkrediten bekommen.

Voraussetzung ist eine genügend große Eigenkapitalreserve. Denn eine Bank wird einem Unternehmen keinen Kredit gewähren, wenn Investitionen nicht mindestens zu 15 bis 20 Prozent aus eigenen Mitteln getätigt werden. Eigene Mittel können Sparguthaben, Wertpapiere, Autos, Werkzeuge, Grundstücke und Gebäude sein. Banken wollen die Bilanzen der vergangenen drei Jahre sehen, um die Auftragslage überprüfen zu können.
Fremdkapitalgeber stellen Geld befristet zur Verfügung. Sie beteiligen sich weder am Unternehmensgewinn noch an der Führung der Firma. Unabhängig von der Erfolgssituation muss der Kredit in Form der Tilgungsraten fristgerecht und verzinst zurückgezahlt werden. Das Risiko des Investments wird bei der Fremdkapitalfinanzierung stark reduziert, da die Ansprüche der Geldgeber vorrangig vor denen der Eigenkapitalgeber bedient werden.

TIPP Idealerweise nutzen Gründer eine Bankfinanzierung ergänzend zur Finanzierung mittels Eigenkapitals, um die Abhängigkeit von einem Kapitalgeber zu reduzieren. Der Kreditgeber hat keine strategischen Mitsprache-, Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse im Unternehmen – vorausgesetzt, die Tilgungs- und Zinszahlungen erfolgen fristgerecht.
Zudem kann es sich besonders in diesem anhaltenden Niedrigzinsumfeld lohnen, Geld für anstehende Investitionen günstig zu leihen und das Eigenkapital gewinnbringender – mit ausreichend Wissen sogar an der Börse – einzusetzen.
Kreditzusagen erfolgen in der Regel schnell und unkompliziert, jedoch nur, wenn es sich um eine langfristige und vertrauensvolle Beziehung zur Bank oder Sparkasse handelt. Die Hausbank stellt auch die Anträge für öffentliche Förderdarlehen. Einen Kredit bekommt aber nur, wer ausreichend Sicherheiten und Eigenkapital vorweisen kann. Je nach Bonität des Unternehmens werden hohe Zinsen fällig. Und: Zins- und Tilgungsraten müssen pünktlich gezahlt werden. Sonst kann die Bank oder Sparkasse den Kredit frühzeitig kündigen.


SPÄTPHASE

Das Unternehmen ist am Markt etabliert. Die Finanzierungsstruktur mit Eigen- und Fremdkapital ist ausbalanciert. Ohne einen Bankkredit wird im Laufe seiner Existenz kaum ein Unternehmen auskommen. Denn häufig treten ungeplante Ereignisse ein, die finanziert werden müssen. Die Firma will kontinuierlich wachsen, will neue Geschäftsbereiche erschließen und in weitere Länder expandieren.

Auch in der Spätphase kann PE von Nutzen sein: »Jetzt können PE-Fonds in ein größeres Unternehmen investieren und es weiter vergrößern«, erläutert Roberts, »im besten Fall machen kleine Fonds zum Beispiel aus einem Unternehmen mit zehn Millionen GeJENNIFER GIWIwinn in fünf Jahren eines mit 30 Millionen, aus den 30 Millionen werden dann 50 Millionen und vielleicht zum Schluss 150 Millionen Euro. Danach ist es vielleicht sinnvoll, dieses Unternehmen an die Börse zu bringen«, sagt PwCManager Roberts.

Wichtig ist, dass der Schritt an die Börse gut überlegt ist. Denn mit dem Börsengang öffnet sich das Unternehmen nicht nur internationalen Investoren, sondern der gesamten Öffentlichkeit. Damit einher gehen je nach Börsensegment strenge Publizitätspflichten. Zudem bekommen Konkurrenten Einblick in die Bilanz und Erfolgsrechnung. Und: Nicht nur der Börsengang selbst kostet viel Geld. Auch für die Pflege aller Anspruchsgruppen – Investoren, Medien, Nichtregierungsorganisationen – braucht es Fachwissen und finanzielle Mittel. Oft nutzen PE-Investoren den Börsengang (IPO), um selbst aus der Firma auzusteigen.

TIPP Investmentbanken treten beim IPO als Berater und Finanzierer auf. Dafür erhalten sie Entschädigungen – Fees genannt – zwischen drei und sieben Prozent des Kapitals, das aufgenommen werden soll. Je nach Umfang des IPO und Prestige der Firma sind mehrere Investmentbanken beteiligt – Facebook hatte zwölf Banken und geringere Fees gezahlt. Wichtig: Es lohnt sich, verschiedene Investmentbanken anbieten zu lassen.

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