»Bloß nicht basteln, sondern gestalten!« — Handmade Kultur

Holzwerken, nähen, drucken, zeichnen – das alles können die Schüler in der Werkbund Werkstatt Nürnberg in neun Monaten lernen. Perfektes Rüstzeug für einen gestalterischen Beruf.

Schöner Duft. Erinnert an Weihnachten. Oder an Ouzo. In der Backindustrie wird Anis verwendet, um Brote bekömmlicher zu machen. In der Werkbund Werkstatt Nürnberg (WWN) wird Anisöl verwendet, um Tusche auf Glas zu fixieren. »Der Geruch kommt von den Federzeichnungen «, sagt Dozent und Glaskünstler Johannes Schreiber, der nun seit vier Jahren an der Schule Glasgestaltung unterrichtet. Die Schüler lernen gerade die Grundsätze des Pinselzeichnens. Später sollen sie ein Objekt entwerfen, das keine Funktion erfüllt. Alice von Gwinner steht kurz vor ihrem Bachelor of Arts in Mediengestaltung und erinnert sich an die Zeit an der WWN zurück: »Die Gegenstände, die wir gestalteten, durften keinen Nutzen haben. Auch in einer Glasschale musste ein Hubbel sein, damit man nichts hineinlegen konnte.« Die 25-Jährige verbrachte vor sechs Jahren neun Monate an der Schule. Heute filmt sie vor allem. »Mein Grundlagenwissen in Gestaltung habe ich mir in Nürnberg angeeignet. Es hat mir bislang sehr gute Dienste erwiesen.«

Verwinkelt wie in einem Irrgarten sind die Gänge der Werkbund Werkstatt Nürnberg, die an das Kunsthaus im Kunst Kultur Quartier anschließen. Vor 26 Jahren wurde die WWN von Künstlern,

Werkbund Werkstatt Nürnberg (WWN ) Die WWN wurde 1986 von Künstlern, Designern und Architekten gegründet. Absicht der Gründer war es, dem seit 1907 tätigen Deutschen Werkbund eine physische Heimat zu geben. 1700 Schüler und Schülerinnen sind seit Bestehen der Schule in Fächern wie Glasgestaltung, Perspektivisches Zeichnen und Fotografie unterrichtet worden.

Designern und Architekten aus Nürnberg gegründet. Der Traum, künstlerische Themen an eine junge Schülerschaft heranzutragen, wurde damit Wirklichkeit. 1700 Schüler und Schülerinnen haben seitdem die neunmonatige Ausbildung durchlaufen. Doch sei es weniger eine Ausbildung als vielmehr eine Grundlehre der Gestaltungsregeln, der Technik und des Materials, so der Geschäftsführer der WWN Norbert Zlöbl.

Seit zwei Jahren steht er der Schule vor. Davor war der Diplom-Grafik-Designer sechs Jahre lang selbst als Dozent für Holzgestaltung und Perspektivisches Zeichnen an der WWN tätig. Sein Assistent, Harald Jantschke, drückte hier vor langer Zeit selbst die Werkbank. »Zu Beginn war alles noch ein Experiment«, sagt Zlöbl. Mittlerweile haben die Mitarbeiter einen Unterrichtsablauf entwickelt, der strukturiert ist und sich bewährt hat: Sieben Wochen lang Gestaltungsunterricht, dreimal jeweils zwei Wochen Glaswerkstatt sowie die Blöcke Holz-, Metall- und Textilwerkstatt. Das Programm ist straff organisiert und trotz allem bleibt Platz für freies Arbeiten. Heißt das auch »Freie Bahn für Kreativität?« Zlöbl lacht: »Oh nein, bitte verwechseln Sie das hier nicht mit Kreativität. Das ist kein Kreativkurs und wir machen auch keine Kunst. Wir erforschen die Grundlagen der Gestaltung, indem wir materialbezogen arbeiten. Was ist mit welchem Material und welcher Technik möglich, das ist der grobe Rahmen.« Und das bringt die 62 Schüler, die derzeit immatrikuliert sind, oft mächtig ins Schwitzen, weiß der Geschäftsführer. »Der Prozess der Gestaltung ist oft intuitiv und unbegrifflich. Es ist sehr komplex, was hier passiert. Wir arbeiten auf eine ganz reduziertabstrakte Form und Sprache hin. Das ist wichtig, damit die Schüler Arbeits- und Denkweisen erlernen, die sie später im Beruf brauchen.«

Wie erstelle ich eine Skizze, baue ein Modell, löse ein Problem? Das sind Fragen, die Auszubildende vor Herausforderungen stellen. Häufig seien sie auch frustriert. »Das ist durchaus normal und sogar wichtig, weil die Schüler dadurch etwas über sich selbst erfahren.« In der Glaswerkstatt passiert das besonders häufig. Hier muss oft alles schon beim ersten Mal stimmen: »Auf Glas sieht man jeden Pinselstrich, nichts kann kaschiert werden; der Strich muss sofort sitzen, die Linie lebendig und harmonisch bleiben«, so Dozent Schreiber. Der ist übrigens kein Kunstpädagoge, sondern kommt aus dem Kunsthandwerk. Auch alle anderen, die hier unterrichten, sind keine Lehrer, sondern Künstler, Architekten oder Designer.

In der Textilwerkstatt entwerfen die Schüler derweil »Mode«. Die kann man später tragen oder auch nicht. »Die Schüler sollen keine Trends bedienen, sondern durch die abstrakte Form freier im Ausdruck werden«, fordert die Textildesignerin Bettina Zwirner, die ebenfalls an der WWN lehrt.

Doch wie schwer fällt es, so eine Aufgabe umzusetzen? »Beim Holzschnitzen fiel mir das total schwer. Textilien dagegen sind mein Material, da läuft dann alles wie von selber«, sagt Alisa Schmidt. Vor wenigen Tagen saß die 21-Jährige das erste Mal an einer Nähmaschine. Vor ihr schwarze zusammengenähte Stoffrollen. Ist das Sushi? »Nein, Lakritz«, lacht die Schülerin. Und auch das ergab sich erst während des Nähens …

Manche der Schüler arbeiten schon während des Orientierungsjahres an der WWN an einer Mappe. Auch das wird unterstützt. »Wenn sich Schüler an einer Hochschule bewerben wollen, bieten wir Konsultationen und Aktzeichnen an«, sagt Zlöbl. Am Ende der Ausbildung steht die Vernissage. Alle Arbeiten der Schüler werden dann in der Galerie Kohlenhof ausgestellt und sind öffentlich zugänglich. Das ist der Schulterschlag für die jungen Gestalter! »Da hängt dann alles, woran die Schüler mitunter das ganze Jahr über gearbeitet haben. Spätestens dann sind sie stolz auf ihr Werk und begreifen, wie viel sie in den neun Monaten gelernt haben.«

Ausbildung Die Werkbund Werkstatt Nürnberg bietet Menschen ab 18 Jahren, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, ein neunmonatiges Orientierungsjahr. Es wird eine Teilnehmergebühr erhoben. Nächster Jahrgang: 18. September 2012 bis 2. August 2013. Tag der offenen Tür: 6. Juli 2012 von 10.30 Uhr bis 12 Uhr.

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